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27.09.2024
Entfesseln und Beschleunigen: OVG Münster zur Genehmigung von Windrädern außerhalb regionaler Windenergiebereiche
Im Eilverfahren um eine neue Windenergieanlage im Kreis Soest hat das nordrhein-westfälische Oberverwaltungsgericht am 26. September 2024 den umstrittenen § 36 Abs. 3 im Landesplanungsplanungsgesetz (1) für voraussichtlich nichtig erklärt. (2). Das Land NRW habe sich rechtswidrig verhalten.
Seit Juni 2024 gilt diese neue Vorschrift. Demnach konnten die Bezirksregierungen in begründeten Einzelfällen Genehmigungsverfahren außerhalb der im Regionalplan vorgesehenen Windenergiebereiche und Potenzialflächen für ein Jahr einsetzen.
Damit sollte die regionale Lenkungswirkung beim Bau neuer Windräder auf planerisch begründete und von den Bürgerinnen und Bürgern legitimierte Flächen gestärkt (3) und ein ungesteuerter „Windradwildwuchs“ verhindert werden. Das hatten der Landesverband Erneuerbare Energien und zahlreiche Bürgerenergieunternehmen kritisiert. Sie befürchteten finanzielle Einbußen bei der zeitlichen Aussetzung laufender Windenergieprojekte.
Rechtliche Zweifel an den neuen Regeln der Landesplanung hatte das OVG bereits 2023 erkennen lassen. (4). Die hat es jetzt präzisiert: „Die Aussetzung des Genehmigungsverfahrens erweist sich nach der Prüfung im Eilverfahren als (offensichtlich) rechtswidrig. Dabei spricht schon grundsätzlich Überwiegendes dafür, dass die landesrechtliche Aussetzungsvorschrift gegen eine Vorschrift des Bundes-Immissionsschutzgesetzes verstößt und daher nach der Kollisionsregel des Art. 31 GG („Bundesrecht bricht Landesrecht“) dürfte nichtig sein.“ (2)
Der energiepolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Dietmar Brockes spricht von einer „herben Niederlage für Energieministerin Mona Neubaur” (5).
André Stinka, wirtschaftspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion unterstreicht: “Gegen jeden Rat […] hat die schwarz-grüne Koalition vor der Sommerpause das neue Landesplanungsgesetz durchgepeitscht. Wir hatten wiederholt deutlich gemacht, dass die darin formulierte Möglichkeit, Genehmigungsverfahren für Windkraftanlagen für ein Jahr auszusetzen, dem Bundes-Immissionsschutzgesetz widerspricht. Genau das hat […]das Oberverwaltungsgericht bestätigt. Sehenden Auges hat die schwarz-grüne Koalition den notwendigen Ausbau der Windenergie auf‘s Spiel gesetzt, mindestens verzögert.” (6)
Die schwarz-gelbe Landesregierung im Industrieland NRW wollte Transformationen „entfesseln“. Schwarz-grün will sie beschleunigen. Folgenreiche und verfahrensverzögernde Ermessenfehler sind die Folge…
Der Beschluss des OVG Münster ist unanfechtbar. Bisher seien deutlich über 80 Windenergieanlagen vor der Rückstellungsregelung betroffen, teilt der nordrhein-westfälische Landesverband Erneuerbare Energien mit. Weitere 17 Eilverfahren zu rund 50 Windenergieanlagen seien noch anhängig. „Ohne Not hat die Landesregierung in den letzten Monaten das Vertrauen in ihre ambitionierte Windenergiepolitik verspielt, wichtige Zeit verloren sowie neue Bürokratie geschaffen und zusätzliche Kosten verursacht“, kommentierte LEE-NRW-Vorsitzender Hans-Josef Vogel die Entscheidung aus Münster. Er fordert „Der verfassungswidrige Passus im Landesplanungsgesetz muss schnellstens korrigiert werden, da die Landesregierung ansonsten ihr Ziel von mindestens 1.000 zusätzlichen neuen Windenergieanlagen in dieser Legislaturperiode nicht schafft.“ (7)
Entfesselung und Beschleunigung können zusätzliche Kosten erzeugen und Vertrauen in die Demokratie verspielen. Die Errichtung von Windenergieanlagen betrifft auch Flora und Fauna. Gewinnorientierte Windenergiebetreiber betreiben derzeit noch einen effizienteren Lobbyismus als Greifvögel, Fledermäuse und lokale Ökosysteme…
Dennoch: Leitvorstellung der Windenergieplanung bleibt „eine nachhaltige Raumentwicklung, die die sozialen und wirtschaftlichen Ansprüche an den Raum mit seinen ökologischen Funktionen in Einklang bringt und zu einer dauerhaften, großräumig ausgewogenen Ordnung mit gleichwertigen Lebensverhältnissen in den Teilräumen führt.“ (8)
Offen bleibt, ob dazu eine an “Watt” orientierte regionale und kommunale Gesamtplanung der erneuerbaren Energieversorgung nicht zielführender und flächensparender sein könnte als das jetzige an “Quadratmeter” gekoppelte Verfahren…
Verweise
1. Recht NRW. §36 Landesplanungsgesetz. [Online] [Zitat vom: 27. September 2024.] https://recht.nrw.de/lmi/owa/br_bes_detail?sg=0&menu=0&bes_id=7530&anw_nr=2&aufgehoben=N&det_id=657055
2. OVG Münster. OVG entscheidet über das erste Verfahren über die Aussetzung eines Genehmigungsverfahrens für eine Windenergieanlage nach dem Landesplanungsgesetz. Justiz NRW. [Online] 26. September 2024 https://www.justiz.nrw/JM/Presse/presse_weitere/PresseOVG/48_240926/index.php
3. Landesplanung NRW. Änderung des Landesplanungsgesetzes - Lenkung des Ausbaus der Windenergie in der Übergangszeit. [Online] [abgerufen am 27. September 2024.] https://landesplanung.nrw.de/aenderung-des-landesplanungsgesetzes-lenkung-des-ausbaus-der-windenergie-der-uebergangszeit
4. Baumeister Rechtsanwälte. Rechtliche Kurzstellungnahme zum Aussetzungsinstrument des § 36 Abs. 3 LPlG-E für Windenergievorhaben. [Online] 11. April 2024. https://landesplanung.nrw.de/system/files/media/document/file/rechtliche_kurzstellungnahme_zu_ss_36_abs._3_lplg-e_0.pdf
5. Kostenlose Demokarten. OVG Münster kippt neue Vorschrift im Landesplanungsgesetz: Herbe Niederlage für Energieministerin Mona Neubaur. [Online] 26. September 2024. https://fdp.fraktion.nrw/ovg-muenster-kippt-neue-vorschrift-im-landesplanungsgesetz-herbe-niederlage-fuer-energieministerin
6. SPD NRW Die Fraktion. Landesplanungsgesetz widerspricht Bundes-Immissionsschutzgesetz z - Ausser Schwarz-grün haben es alle gewusst. [Online] 26. September 2024. https://www.spd-fraktion-nrw.de/pressemeldung/landesplanungsgesetz-widerspricht-bundes-immissionsschutzgesetz-ausser-schwarz-gruen-haben-es-alle-gewusst/
7. LEE NRW. Windenergie: OVG weist Landesregierung in die Schranken. [Online] 27. September 2024. https://www.lee-nrw.de/presse/mitteilungen/windenergie-ovg-weist-landesregierung-in-die-schranken/
8. Raumordnungsgesetz. § 1 Abs. 2. [Online] [Zitat vom: 27. September 2024.] https://www.gesetze-im-internet.de/rog_2008/__1.html
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