GRENZLANDGRÜN   
niederrheinisch - nachhaltig 

15.10.2025

„De Groene Afslag“ und das „Manifest Eerlijke Economie“

251016.jpgViele Menschen wünschen sich Gesellschafts- und Wirtschaftsaktivitäten, die Sinn machen und der mitweltlichen Verbundenheit, dem Naturschutz, dem Wohlstand, der Gerechtigkeit und der Gesundheit dienen. Derzeit steht unser Wirtschaftssystem diesen Wünschen im Weg. Es beutet Mensch und Natur aus, entzieht sich der demokratischen Kontrolle und belohnt den Vermögenszuwachs mehr als die Arbeitsleistung. Macht und Reichtum sammeln sich in den Händen immer weniger Menschen. 

Andere zahlen die Zeche: Klimawandel, Verlust der Natur, Umweltverschmutzung, große Ungleichheit, zunehmender Extremismus sowie weit verbreiteter Stress und Burnout sind logische Konsequenzen eines Systems, das Mensch und Natur ausbeutet, um Wirtschaftswachstum, Wettbewerb, Rendite und Gewinnmaximierung voranzutreiben.

Wir brauchen stattdessen eine Wirtschaft, in der lokale Unternehmer*innen, Arbeitnehmer*innen und Bürger*innen mehr Mitspracherecht haben, in der die Anforderungen von Unternehmen an die Mitwelt gerecht begrenzt werden und in der Gewinne für den Wiederaufbau statt für bloße Gewinnsteigerung eingesetzt werden. Unternehmen könnten Gemeinschaft und Natur stärken, anstatt sie zu zerstören.

Doch ohne eine stabile wissenschaftsbasierte Politik ist Nachhaltigkeit für Unternehmen unmöglich. Gerade derzeit ist spürbar, dass Gesetze und Regularien für die Wirtschaft werden aus ideologischen und parteipolitischen Gründen geändert werden und nicht, weil sich die wissenschaftlichen Grundlagen einer verantwortungsvollen Wirtschaftspolitik verändert haben.

Die niederländischen Wissenschaftler*innen Babette Porcelijn, Derk Loorbach, Joyeeta Gupta, Kees Klomp, Marleen Stikker, Michel Scholte, Paul Schenderling und Winne van Woerden haben auf Einladung des Bussumer Veränderungshauses „De Groene Afslag“ (die grüne Ausfahrt) (1) ein Wirtschaftsmanifest erarbeitet, das der Zusammenarbeit zwischen Politik, Zivilgesellschaft und Unternehmen dienen soll. Das „Manifest Eerlijke Economie“ wurde am 3. Oktober 2025 der Öffentlichkeit vorgestellt. (2) „Mit diesem Manifest versuchen wir nicht, Linke oder Rechte zu erreichen, sondern einfach den Wähler, der sich ein gutes Leben und eine gesunde Zukunft für sich und seine Kinder wünscht. Das erfordert Veränderung, aber nicht unbedingt Opfer. Es geht vielmehr darum, andere Entscheidungen zu treffen“, sagt die Amsterdamer Professorin Joyeeta Gupta (3).

Und dazu haben die Denker*innen zehn konkrete Ziele mit entsprechenden politischen Instrumenten formuliert:

1. Existenzsicherheit und Grundbedürfnisse garantieren – für alle, die sich nicht selbst organisieren können oder für die der Markt versagt. Um Spekulationen und Versorgungsengpässe zu vermeiden, muss die Politik gemeinsam mit anderen EU-Mitgliedsstaaten strategische Vorräte an kritischen Rohstoffen wie pharmazeutischen Rohstoffen, kritischen Mineralien und Getreide aufbauen.

2. Ungleichheit auf ein akzeptables Maß reduzieren – Arbeit soll sich wieder lohnen und steuerlich so behandelt werden, dass sie mehr einbringt als passives Einkommen aus Vermögenswerten. Eine globale Körperschaftssteuer von 15 % und Doppelbesteuerungsabkommen im Rahmen der OECD und der G20 soll Steuerhinterziehung und -vermeidung durch Unternehmen und Vermögende verhindern.

3. Lokale Demokratie und Selbstbestimmung stärken - Entscheidungen von weit entfernten Führungskräften und multinationalen Unternehmen werden auf lokale Gemeinschaften verlagert, die selbst über ihre Energie, Lebensmittel und Infrastruktur bestimmen. Für das Öffentliche Beschaffungswesen wird eine Regionalquote eingeführt. Die lokale Wirtschaft erhält zinsgünstige öffentliche Finanzierungen und Genossenschaften erhalten Strukturhilfe.  Kleine Unternehmen sind von neuen Marktregulierungen ausgenommen und erhalten Schutz vor Übernahmen. Große Unternehmen werden bei Übernahmen gesellschaftlich kontrolliert und bei übermäßiger Marktdominanz schneller als zerschlagen.

4. Das Finanzsystem demokratisch kontrollieren und in den Dienst der Realwirtschaft stellen – Abkehr von einem sich selbst bereichernden Finanzsystem, das systemische Risiken schafft, Finanzialisierung begrenzen, Transaktionssteuern auf alle Finanztransaktionen, höhere Vermögenssteuern für kurzfristige Spekulanten, Übergewinnsteuer auf suprazyklische Gewinne von Banken, Energie- und Nahrungsmittelunternehmen während globaler Krisen einführen; Steuern von Arbeit auf Umweltverschmutzung, Rohstoffe und Kapital (mit Vorteilen für langfristige Investoren) verschieben und Rabatte auf nachhaltige Investitionen gewähren.

5. Technologien gesellschaftlich regulieren. Das gilt für Technologiekonzerne, die Nutzerdaten kommerzialisieren, KI entwickeln und implementieren bis hin zu kollektiv verwalteter Technologie, die menschlichen und ökologischen Interessen dient. Monopole in den Bereichen Telekommunikation, Cloud und Energie sollen verhindert werden.

6. Natürliche Systeme wiederherstellen – von der Zerstörung der Natur, von der wir abhängen, zur gesetzlich vorgeschriebenen Regeneration der Ökosysteme übergehen. Alle Unternehmen werden dazu verpflichtet, mehr Natur wiederherzustellen, als sie verbrauchen (mit strafrechtlicher Verfolgung bei Ökozid).

7. Werteorientierte Wirtschaft mit realen Preisen umsetzen, in denen alle sozialen und ökologischen Kosten und breit angelegte Wohlstandsindikatoren berücksichtigt werden.

8. Den Schutz vor Unternehmensschäden demokratisch kontrollieren - Mindestanforderung für Marktzugang sind die Einhaltung der Menschenrechte und die obligatorische Lieferkettenverantwortung bei Produktion und Importen.

9. Internationale Wirtschaftsbeziehungen fair gestalten – Faire Preise und Vergütungen zahlen, alle Akteure gleichberechtigt an globalen Entscheidungsprozessen beteiligen, strikte Einhaltung der EU-Regularien, die Nachhaltigkeit und Umweltschutz betreffen.

10. Ein nachhaltiges Wirtschaftssystem einführen, in dem das Leben innerhalb sozialer Grundlagen und ökologischer Grenzen gedeihen kann, unabhängig davon, ob die Wirtschaft wächst oder nicht, das Bruttoinlandsprodukt als statistische Kennzahl mit Wohlfahrtsindikatoren ergänzen, Steuern auf die Gewinnung von Primärrohstoffen und auf die Überschreitung ökologischer Grenzwerte erheben, verbindliche Ziele für eine Kreislaufwirtschaft und Rohstoffquoten für alle Sektoren erheben, Reparaturen fördern.

Um die Wirtschaft von kurzfristigen Profitabilitätszielen hin zu langfristigem Wert und zur Resilienz zu verschieben,  braucht es einen politischen Rahmen, der zirkuläre Leitmärkte, kollektives Verantwortungsbewusstsein und neue Geschäftsmodelle (z.B. Produkt-als-Dienstleistung, Reparatur, Wiederaufarbeitung) fördert. Der fehlt derzeit in den meisten europäischen Staaten.

Schade, denn Unternehmen könnten von langlebigen Produkten profitieren, wenn sie sie nicht verkaufen, sondern ihre Nutzung als Service anbieten. Ausbeutung von Mensch und Natur oder die Finanzspekulation würden allmählich unrentabel werden und  Nachhaltigkeit würde sich nicht aufs Greenwashing beschränken…

Verweise
1. De groene Afslag. [Online] https://www.degroeneafslag.nl/

2. Babette Porcelijn, Derk Loorbach, Joyeeta Gupta, Kees Klomp, Marleen Stikker, Michel Scholte, Paul Schenderling und Winne van Woerden . Manifest Eerlijke Economie. Bouw mee aan een economie die werkt voor mens en natuur. [Online] 3. Oktober 2025. https://cdn.prod.website-files.com/6616aa523d005000dff88f51/68e53f8b3dafde73cf66d25e_Manifest%20eerlijke%20economie.pdf

3. Maaike Kooijman. Wetenschap wordt als ‘links’ geframed, maar is de sleutel tot stabiel beleid, zegt hoogleraar Joyeeta Gupta. CHANGEINC. Let’s accelerate the transition. [Online] https://www.change.inc/transities/leiderschap-transitie/wetenschap-wordt-als-links-geframed-maar-is-de-sleutel-tot-stabiel-beleid-zegt-hoogleraar-joyeeta-gupta?.

Grenzlandgruen - 20:18 @ Europa, Umwelt und Gesundheit, Wirtschaft und Finanzen | Kommentar hinzufügen



 

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  Stand: 08.11.2025
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