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22.05.2023

Klimawandel: Weckruf des Weltwetters

Marion und Hans auf pixabay.jpgMit einer Wahrscheinlichkeit von 66% werde die durchschnittliche oberflächennahe globale Temperatur zwischen 2023 und 2027 für mindestens ein Jahr mehr als 1,5 °C über dem vorindustriellen Niveau liegen. Das teilte die Weltorganisation für Meteorologie (WMO) in ihrer jüngsten Prognose am 17. Mai 2023 mit (1). WMO-Generalsekretär  Professor Petteri Taalas erwartet, dass sich in den kommenden Monaten ein sich erwärmender El Niño entwickeln wird, der zusammen mit dem vom Menschen verursachten Klimawandel die globalen Temperaturen in neue Höhen treibt:  „Dies wird weitreichende Auswirkungen auf Gesundheit, Ernährungssicherheit, Wassermanagement und Umwelt haben. Wir müssen vorbereitet sein.“ (1).

Das Risiko wächst, dass die Erderwärmung sich selbstständig macht und keine Rücksicht auf das vermeintliche menschliche Klimamanagement mehr nimmt. Die Natur bleibt ein unberechenbarer Akteur.

Nach einer langen Dürre in Norditalien fiel in der letzten Woche an manchen Orten in anderthalb Tagen soviel Regen wie sonst in sechs Monaten. Die Folge: verheerende Überschwemmungen und Erdrutsche, mindestens 14 Tote in der Emilia-Romagna, einer Region, die in Italien in den letzten Jahren zur Spitzengruppe bei der Bodenversiegelung gehörte. (2)

In der Region um Barcelona droht Wassermangel. Die Wasserreservoirs sind derzeit nur noch zu 25 Prozent gefüllt. Die Wasserentnahme für die Landwirtschaft wird eingeschränkt. (2) 

Der Klimawandel sorgt dafür, dass Anzahl und Intensität der Dürreperioden massiv ansteigen. Im Jahr 2022 lag die die globale Durchschnittstemperatur etwa 1,15 °C über dem Durchschnitt der Jahre 1850 – 1900. Die Wahrscheinlichkeit, dass der Fünfjahresmittelwert für 2023–2027 höher ist als in den letzten fünf Jahren, beziffert die WMO mit  98 %. (1)

In Indien verzeichneten mehrere Städte im Norden und Osten am 18. April 2023 Höchsttemperaturen über 44 °C. Die Stadt Tak im Nordwesten Thailands meldete am 15. April 2023 mit 45,4 °C einen neuen Temperaturrekord. Diese extremen Temperaturen führten in Verbindung mit der Luftfeuchtigkeit zu einem plötzlichen Anstieg der Hitzschlagfälle, zum Schmelzen der Straßen und zu einem stark steigenden Strombedarf. (3) 41 °C gelten als gefährlicher Schwellenwert. (3)

Jedes Jahr sterben Tausende von Menschen an hitzebedingten Ursachen.  Luftverschmutzung, Waldbrände und städtische Hitzestaus erhöhen das Todes- und Gesundheitsrisiko. Die vollen Auswirkungen einer Hitzewelle werden oft erst Wochen oder Monate später bekannt.
  
Studien aus der klimawissenschaftlichen Attributionsforschung zeigen seit Anfang der 2000er Jahre, dass der vom Menschen verursachte Klimawandel die meisten extremen Wetterereignisse wahrscheinlicher macht. 

Das 2014 von den Klimatologen Friederike Otto und Geert Jan von Oldenborgh begründete wissenschaftliche Projekt „World Weather Attribution“ (4) beschäftigt sich mit den Auswirkungen des Klimawandels auf extreme Wettereignisse. Es analysiert aktuelle Vorkommnisse mit Computersimulationen, die aus historischen Wetterdaten gefüttert werden.  Das Wissenschaftsportal CarbonBrief hat im August 2022 eine Datenbank mit mehr als 400 Studien zu Extremwetterereignissen weltweit veröffentlicht. (5)

ZEIT-Online (6) und SPIEGEL Wissenschaft (7) stellten am 17. Juni 2023 ihre Berichte zu den Daten der Weltwetterorganisation zur Diskussion und erhielten über 1.500 Kommentare.
Sie demonstrierten erneut das breite Spektrum der Meinungen, Polemiken und Illusionen über das Klima. Wir hätten uns bei diesem Thema „an eine ohrenbetäubende Dauerbeschallung mit Weckrufen gewöhnt“, meint DLF-Umweltredakteur Georg Ehring (8). Es passe nicht zusammen, von hohen Ambitionen im Klimaschutz zu reden und dann fast so weiterzumachen als sei nichts geschehen. Zu einer ehrlichen Politik gehöre es, die weitreichenden Zumutungen klar zu benennen, die der Kampf gegen den Klimawandel mit sich bringt und zu erläutern, was auf dem Spiel steht. Wie schwer das fällt, erlebe Deutschland derzeit bei der Debatte um den Austausch von Heizungen… (8).

Verweise

1. World Meteoological Organization. Global temperatures set to reach new records in next five years. [Online] 17. Mai 2023. https://public.wmo.int/en/media/press-release/global-temperatures-set-reach-new-records-next-five-years

2. Kuchenbecker, Tanja; Louven, Sandra; Wermke, Christian. Klimakrise trifft Südeuropa. Handelsblatt. 22. Mai 2023

3. World Weather Attribution. Extreme humid heat in South Asia in April 2023, largely driven by climate change, detrimental to vulnerable and disadvantaged communities. [Online] 17. Mai 2023. https://www.worldweatherattribution.org/extreme-humid-heat-in-south-asia-in-april-2023-largely-driven-by-climate-change-detrimental-to-vulnerable-and-disadvantaged-communities/

4. World weather attribution. [Online] https://www.worldweatherattribution.org/

5. CarbonBrief. Mapped: How climate change affects extreme weather around the world. [Online] 4. August 2022. https://www.carbonbrief.org/mapped-how-climate-change-affects-extreme-weather-around-the-world/

6. ZEIT-Online. WMO hält Übersteigen der 1,5-Grad-Marke für immer wahrscheinlicher. [Online] 17. Mai 2023. https://www.zeit.de/wissen/umwelt/2023-05/weltwetterorganisation-wmo-erderwaermung-pariser-klimaziel

7. SPIEGEL Wissenschaft. Jetzt auch noch El Niño – die nächsten fünf Jahre werden heiß. [Online] 17. Mai 2023. https://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/el-nino-wmo-prognostiziert-heisszeit-bis-2027-klimakrise-verschaerft-sich-a-3dc530be-5577-489a-9081-66fcc24c4dc0

8. Ehring, Georg. Die Politik muss die nötigen Zumutungen endlich ehrlich benennen. Deutschlandfunk. [Online] 17. Mai 2023. https://www.deutschlandfunk.de/weltwetterorganisation-wmo-klimakatastrophe-handeln-politik-102.html

Grenzlandgruen - 09:20 @ Umwelt und Gesundheit | Kommentar hinzufügen



 

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