niederrheinisch - nachhaltig 

29.12.2021

Lützerath: Über „Hängebeschlüsse“ und das UNESCO-Weltkulturerbe

211228 L.jpg“Über Lützerath werden die Gerichte entscheiden.“ Das kündigte das Ampelbündnis für Freiheit, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit in seinem am 24. November 2021 veröffentlichten Koalitionsvertrag an. Überschrift: „Mehr Fortschritt wagen“. Einen ersten Schritt zu diesem Wagnis hatte das Oberverwaltungsgericht Münster ursprünglich bis zum 7. Januar 2022 versprochen. Bis dahin wollte es über die Rechtmäßigkeit einer von der Bezirksregierung Arnsberg zugunsten von RWE angeordneten vorzeitigen Besitzeinweisung entscheiden. RWE hatte sich bereit erklärt, solange nicht gegen Lützeraths letzten Bauern Eckardt Heukamp vorzugehen. Um dessen Hof geht es in dem Verfahren.

Am 20. Dezember 2021 teilte das Gericht mit, dass bis zum 7. Januar 2022 keine Entscheidung über die Beschwerde gefallen sein wird. Das Verfahren sei komplex und der zuständige Berichterstatter schwer erkrankt. Stattdessen erließ der 21. Senat zwei unanfechtbare Hängebeschlüsse zu den von RWE geplanten sog. Vorfeldberäumungsmaßnahmen.  Das heißt: bis zur Entscheidung des OVG Münster darf RWE auf Heukamps Grundstücken nicht roden oder räumen (1). 

Das Gericht betont, dass die “Hängebeschlüsse” keine Vorwegnahme der endgültigen Entscheidungen darstellen. Deren Ausgang sei noch offen. (1) Dennoch gilt die “Schonfrist für den letzten Hof Lützeraths” als Teilerfolg für die Initiativen, die für den Erhalt des Dorfes kämpfen.

Selbst wenn der 21. Senat des  OVG Münster die vorzeitige Besitzeinweisung für nicht rechtmäßig erklärt, bliebt der Abriss Lützeraths Teil des rechtskräftigen Hauptbetriebsplans zum Tagebau Garzweiler (2). Der gilt von 2020 – 2022, ist aber nicht mit den Pariser Klimazielen vereinbar…Verständlich, dass es David Dresen und viele andere Menschen für feige halten, wenn die Bundesregierung die Entscheidung, mit welchen Verträgen sie bricht, den Gerichten überlässt… (3)
   
Weltkulturerbe
211228 L2.jpgBastian Brinkmann ist ein Polizist aus Bielefeld und hat dort „Parents for future“ mitbegründet. Er war am 31. Oktober 2021 auf der Großdemo in Lützerath, wo der als “Bananensprayer” bekannte Künstler Thomas Baumgärtel (4) den Hof Heukamps zum Kunstort (5) ernannte. Brinkmann: „Da dachte ich, dass es etwas noch stärkeres brauche, eine Art Schutzglocke, die man über diesen Ort stülpen müsse, und bin dabei auf das UNESCO Weltkulturerbe gekommen.“ (6)

Angeregt wurde Brinkmann durch die Bewegung „Unternehmen Klimaschutz“, die maßgeblich von der gemeinnützigen Aktion „Protect the planet“ unterstützt wird. Die Unternehmer*innen helfen Eckard Heukamp bei seinem Rechtsstreit mit Geld und Know how. Am 29. Oktober 2021 drückten sie direkt vor dem Kohlekraftwerk Neurath ihre Solidarität mit Heukamp aus. „Wo Recht zu Unrecht wird, wird Widerstand zur Pflicht“ war das Motto ihrer videodokumentierten Protestveranstaltung (7).

Am 14. Dezember 2021 teilten „Parents for Future Bielefeld“ und „Protect the planet“ mit, dass Brinkmann  beim nordrhein-westfälischen Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung sowie beim LVR-Amt für Denkmalpflege Rheinland beantragt hat,  Lützerath in die UNESCO-Welterbeliste aufzunehmen. (6)

Brinkmann: „Mir geht es ganz wesentlich um den Hof des Bauern Eckardt Heukamp, seinen engagierten Kampf gegen RWE und die damit drohende Enteignung seines Eigentums. Das hat einen starken Symbolcharakter: Der Tagebau Garzweiler ist anachronistisch und verhindert, dass wir unsere Klimaziele erreichen. Lützerath steht damit für eine historisch belegte Form der Energiegewinnung. Es ist gleichermaßen industrielles Kulturerbe wie Mahnmal“. (6)

Wenn die beiden Behörden in Nordrhein-Westfalen grünes Licht geben, muss die Kultusministerkonferenz (KMK) entscheiden. Sie führt die aus den Ländern eingereichten Vorschläge zu einer gemeinsamen Vorschlagsliste zusammen. Die Anträge werden dann dem Auswärtigen Amt zugeleitet, das wiederum die Übermittlung an die UNESCO übernimmt. Lesen Sie mehr zum “Fall Lützerath” auf der auf der “Grenzlandgrün”-Homepage

Anmerkungen

1. Oberverwaltungsgericht Münster. Vorläufig keine Rodung und Räumung in Lützerath. [Online] 20. Dezember 2021. 
https://www.justiz.nrw/JM/Presse/presse_weitere/PresseOVG/20_12_2021_/index.php

2. RWE Power AG. Tagebau Garzweiler - Hauptbetriebsplan. [Online]
https://www.rwe.com/nachbarschaft/nachbarschaftsinformationen/hauptbetriebsplan-tagebau-garzweiler 

3. Leue, Vivien. Deutschlandradio Kultur. Der letzte Dorfbewohner von Lützerath. [Online] 27. Dezember 2021. https://www.deutschlandfunkkultur.de/der-letzte-dorfbewohner-von-luetzerath-und-die-braunkohlebagger-laenderreport-dlf-kultur-29e2b5af-100.html

4. Baumgärtel, Thomas. Bananensprayer. [Online] https://www.bananensprayer.de/

5. Helge Hommes und Thomas Baumgärtel bei der Demo in Lützerath. [Online] 31. Oktober 2021. https://www.youtube.com/watch?v=TDa587btHD8

6. Schulte, Anette. Lützerath auf dem Weg zum UNESCO-Welterbe? . [Online] 14. Dezember 2021. [abgerufen am: 27. Dezember 2021.] https://parentsforfuture-bielefeld.de/news

7. Unternehmen Klimaschutz: Unternehmer:innen Statements. [Online] 19. November 2021. https://www.youtube.com/watch?v=VwVft0iJLxM

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Grenzlandgruen - 08:19 @ Akteure und Konzepte, Strukturwandel im Rheinischen Revier | Kommentar hinzufügen



 

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