niederrheinisch - nachhaltig 

Samstag, 26. Januar 2019

Über meditatives Gucken, Reklamemonster und fahrende Litfaßsäulen: Busse mit zugeklebten Fenstern 

© church of the king at unsplash

Allein im Kreis Viersen verkehren 55 Buslinien. Und es scheint, dass immer mehr davon für Blindfahrer und Blindfahrerinnen angeboten werden. Was in den 1990er Jahren entstanden ist und Busfahrgäste in Großstädten schon seit langem beklagen, wird derzeit auch im ländlichen Grenzland zunehmend zum Ärgernis: die so genannte „Buswerbung durch Ganzgestaltung“. 

Werbeagenturen versprechen den Unternehmen mit dieser Reklamevariante „zahlreiche Sichtkontakte in einem sehr stark frequentierten Umfeld“ „mit einer der sympathischsten Werbeformen“. Sie behaupten, dass Werbung auf Bussen kaum auf Abneigung treffe, weil „Busse sowieso schlecht aussehen“ und „eine nette Werbung den Bus schöner“ mache. Das im Grenzland aktive Busunternehmen „Kraftverkehr Schwalmtal“ preist seine Buswerbung gar mit der  Überschrift „Für Sie unterwegs“ an. Damit sind allerdings nicht Fahrgäste gemeint, sondern die werbende Wirtschaft. Welch neoliberal geprägtes Denken steckt wohl dahinter, wenn Reklame auf Bussen als „Platz für Gestaltungsideen“ und „Hingucker“ angepriesen wird und die Belange der Fahrgäste mit keinem Wort erwähnt werden?

Orientierung verlieren und sich eingesperrt fühlen

Wenn Busfenster mit angeblich kreativ gestalteten Eye-Catchern aus Werbefolien zugeklebt sind, können die, die im Bus sitzen oder stehen weder hin- noch rausgucken. Auch auf der von Kraftverkehr Schwalmtal betriebenen Linie 074 fahren mittlerweile Busse ohne einen einzigen Platz, von dem man aus dem Fenster blicken kann. Das ist nicht nur für alte Menschen und Ortsunkundige ein Problem. Wenn man nicht mehr aus dem Fenster sehen kann, fühlt man sich eingesperrt. Man verliert die Orientierung und weiß nicht, wo der Bus gerade lang fährt. Haltestellenbeschriftungen werden nicht mehr erkannt. Eine Kundin klagt: „Man fährt wie in einer Höhle. Ich krieg davon Kopfschmerzen.“

Der hessische Landesverband des Verkehrclubs Deutschland hat in einem Faltblatt die wichtigsten Argumente zum Blindfahren zusammengetragen.  Schon 2003 berichtete die Berliner BZ von einem wütenden Fahrgast, der an den Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages geschrieben hatte. Seine Forderung: „Zugeklebte Bus-Fenster müssen in Deutschland per Gesetz verboten werden.“ Dabei ist ein Verbot auf kommunaler Ebene durchaus möglich. Denn die maßgebliche "EU-Verordnung Nr. 1370/2007 über öffentliche Personenverkehrsdienste auf Schiene und Straße" lässt den Aufgabenträgern im gemeinwirtschaftlichen öffentlichen Personennahverkehr - also auch den Städten und Kreisen - Spielraum für derartige Festsetzungen. Doch das Betreiben von Bussen gilt vielen Entscheidungsträgern immer noch nicht als ein die Gesellschaft und das Klima stabilisierender Dienst am Gemeinwohl. Es gilt vielmehr als lästiges „poor man’s business“, in dem jede Zusatzeinnahme willkommen ist.

Poor Man: Als solche gelten arme, ganz alte und sehr junge Menschen. Und die brauchen nach Ansicht einiger Busbetreiber offenbar keinen Blick aus dem Fenster: Man meint wohl, dass diese Fahrgäste entweder eine Sehbehinderung oder ein Smartphone haben. Das im Stehen mit einer Hand an der Haltestange zu bedienen, fällt allerdings selbst sportlichen Jugendlichen schwer. Im Nahverkehrsplan des Kreises Viersen geht es um barrierefreie Haltestellen, aber nicht um ein barrierefreies „Aus dem Fenster gucken“. Zugeklebte Fenster machen einen Bus allenfalls für die werbende Wirtschaft attraktiv, für den Fahrgast nicht.

Entschleunigt schauen und meditativ entspannen

© Sebastian Holgado at unsplash

Vor der neoliberalen Wende, als es im Grenzland noch etwas gemächlicher als heute zuging, sah man nicht selten Menschen, die sich mit einem Kissen aus dem Fenster beugten und stundenlang rausschauten. Sie schauten sich Bewegung an - von Kindern, Erwachsenen, vereinzelten Autos, Flora und Fauna. Selbst der Asphalt, in dem sich nichts rührte, schien von Interesse zu sein. Über das Schauen gelangten sie offenbar in Entspannung und fanden ihr Inneres. Heute spielen die Kinder nicht mehr auf der Straße und der dichte Autoverkehr wird schon beim Zugucken zum Stressfaktor. Man muss mittlerweile einen Meditationskurs buchen, um in unbequemer Haltung den Kopf leer zu kriegen. Wer häufiger in Zügen oder Bussen ohne „moderne Ganzgestaltung“ fährt, weiß, dass man ähnliche Effekte auch beim „Aus dem Fenster gucken“ erzielen kann. Denn das Gucken dient nicht nur dazu, die Umgebung zu erfassen. Wenn’s „gut und ungestört fließt“, kann man dabei in meditatives Sinnieren und eine angenehme Entspannungsstarre geraten, für die man anderenorts oder mit anderen Mitteln viel Geld bezahlen muss.     

Die NEW hat im Sommer 2017 wie andere Busbetreiber in Deutschland angekündigt, die Werbung auf Bussen abzuschaffen. Viel zu merken ist bisher davon nicht. Denn zum alles der Ökonomie unterordnenden Zeitgeist passt es eher, auf allen 55 Buslinien im Kreis Viersen die Fenster mit „Buswerbung in Ganzgestaltung“ zuzukleben, um anschließend unter dem Motto „Jetzt mit freiem Blick“ für eine meditative Rausguckmöglichkeit gegen Aufpreis zu werben. Auch so könnte aus dem grauen „poor man’s business“ einer pflichtgemäßen Bedienung der Bevölkerung mit Verkehrsleistungen eine hippe ökonomische Innovation werden. Die entgangenen Werbeeinnahmen könnten dann durch „ganzgestaltete“ Werbefolien am und zwangsweise Bildschirmberieselung im selbstfahrenden Sven kompensiert werden...

Knappe Güter, moderne Prioritäten: Temporärer Wasserstoffbus im Kreis Viersen

  

Mittwoch, 8. November 2017

Landwirtschaft: Über Geld, Greening und die "Agroschizophrenie"  

Hunger und Überfluss,  Milchseen und Butterberge,  Höfesterben und Flurbereini- gung, Rinderwahn und Dioxin-Eier, degradierte Böden und verseuchtes Grundwasser, Sicco Mansholt und José Bové... Seit Jahrzehnten hinterlässt das angebliche Expertenwissen verwirrte Bauern und unzufriedene Konsumenten.  "Wachsen oder weichen" und die "Grenzen des Wachstums". Was immer noch fehlt, ist ein fundiertes und widerspruchsfreies Mainstream-Konzept von bäuerlicher Zukunft.  Die Landwirtschaft ist  hin und her gerissen zwischen bäuerlicher Tradition und industrieller Rationalität, zwischen sensibler Naturnähe und forscher Mechanisierung, zwischen Erzeugungsschlacht und organischem Hofbetrieb – und das begleitet von einem komplizierten Subventionssystem, von viel Bürokratie und zuweilen vom schieren Unsinn.

Schlechte Stimmung - Gutes Image

Und dennoch:   Landwirte haben ein gutes Ansehen. Im Ranking der Berufe stehen Landwirte auf Platz zwei - hinter den Ärzten und Ärztinnen und vor den Polizisten und Polizistinnen. Das stellte im März 2017 die EMNID-Studie „Das Image der deutschen Landwirtschaft“ fest. Problematischer ist das Stimmungsbild im Hinblick auf Ethik und Ökologie in der Landwirtschaft. Knapp 70 % der Bundesbürger(innen) sind davon überzeugt, dass Landwirtschaft nicht verantwortungsvoll mit ihren Tieren umgeht, 72% meinen, dass sie nicht umweltbewusst arbeitet und fast 80% werfen ihr einen Raubbau an Boden, Wasser und Luft vor. Die derzeitige Landwirtschaft wird den Ansprüchen der Verbraucherinnen und Verbraucher in den meisten Punkten nicht gerecht. Der Vorwurf mangelnder Nachhaltigkeit trifft die Grundfesten einer bäuerlichen Landwirtschaft. Sie richtet den Blick über das Heute hinaus. Haus und Hof den Nachfolgern in einem besseren Zustand zu übergeben als von der vorherigen Generation übernommen – das ist eins ihrer Leitbilder. Generationenverantwortung, regionale Anbindung, das beharrliche Pflegen und Hegen von Grund und Boden gehören eigentlich zum Berufsethos des Bauern, auch wenn "Bodenständigkeit" oder "Genossenschaften" in Deutschland von einer anrüchigen Tradition begleitet werden.    

Betriebswirtschaft und Berufsethik

Doch das scheint heute ohnehin anders zu sein. Im Rahmen einer Diskussion zur Zukunft der bäuerlichen Landwirtschaft, zu der ein Arbeitskreis der Grünen im Kreis Viersen jüngst nach Oedt geladen hatten, bestätigte der Kreislandwirt Paul-Christian Küskens: „Das Geld bestimmt, was wir machen. "  

Die Industrialisierung der Landwirtschaft fördert offenbar ein betriebswirtschaftliches Denken, das kurzfristig orientiert ist und die volkswirtschaftliche und berufsethische Perspektive vernachlässigt. Landwirtschaftliche Industriebetriebe haben ein hohes Spezialisierungs- und Technisierungsniveau. Sie erfordern einen intensiven Kapital- und Energieeinsatz. Sie verändern natürliche Ökosysteme. Artenvielfalt nimmt ab. Die Landschaft wird maschinengerecht geformt, der Boden verdichtet. Produktivitätssteigernde Agrarchemikalien verunreinigen das Grundwasser. Auch diese Industrieform erzeugt soziale und ökologische Folgekosten, die gesellschaftlich nicht erwünscht sind.

Nachdenklich in Oedt: Norwich Rüße, Bernd Schmitz, Paul-Christian Küskens, Konrad Steger, Dr. Bernd Lüttgens

Daher fordern Umweltverbände wie der BUND oder die Partei Die Grünen eine Agrarwende. Bernd Schmitz, Sprecher der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft, appelliert an seine Berufskollegen: Wir dürfen diesen Strukturwandel nicht einfach hinnehmen, sondern müssen ihm was entgegensetzen.“ Dass es nicht einfach ist, die Belange von Bäuerinnen und Bauern mit denen der Verbraucherinnen und Verbraucher in Einklang zu bringen, machte der grüne Landtagsabgeordnete Norwich Rüße deutlich: „90 % der Landwirte sind ratlos, was ihre Zukunft betrifft.“ Dr. Bernd Lüttgens vom Rheinischen Landwirtschafts-verband macht dafür die Grünen und die Naturschützer verantwortlich: „Hofreiters Gerede von der Agrarwende verunsichert die jungen Landwirte.“ Sie gefährde die bäuerlichen Kleinbetriebe mit immer mehr Dokumentationspflichten und Öko-Auflagen.   

Landlustidyllen und Ernährungsmarkt

Viele Landwirte sind sich sicher, dass die Verbraucher sich ein falsches Bild von moderner Landwirtschaft machen und nur billig und satt machend essen möchten. Glückliche Kühe auf saftig grüner Weide, Mensch und Tier im Einklang mit der Natur. Die urban geprägte Gesellschaft hat eine große Sehnsucht nach dem Ländlichen entwickelt. „Landlust“ und ähnliche Zeitschriften vermarkten ein Bild, das mit dem Leben und Wirtschaften auf dem Land wenig zu tun hat. Für manch einen ist nur der Bauer ein guter Bauer, der von Maschinen und chemischen Produkten möglichst die Finger lässt. Der zu Beginn der Oedter Veranstaltung gezeigte Film „Der Ährenmann“ befeuerte dieses Bild. Auch wenn Verbrauchererwartungen in vielem an der Realität vorbeigehen – die Art und Weise wie wir Landwirtschaft betreiben, Lebensmittel erzeugen und handeln, ist ein zentrales Thema unserer Gesellschaft.

Dabei ist eine „Agroschizophrenie“ entstanden. Während die einen mit dem Motto „Wachse, digitalisiere oder weiche“ unter dem Deckmantel einer angeblich „nachhaltigen, modernen und zukunftsfähigen Landwirtschaft“ weiter auf den Weg hin zur exportorientierten Industrialisierung beraten, folgen andere einem eher traditionell orientierten Bauernethos. Und beide Gruppierungen sind überzeugt: „Das ist nachhaltig, denn der Markt will es so“. Doch der Markt besteht auch aus der fast diktatorischen Nachfrage der großen und sehr mächtigen Einzelhandelskonzerne. Er besteht aus Kunden, die 1000 € für einen Grill , aber  nur 0,99 € für eine Bratwurst zahlen. Landwirte vermitteln in dieser Situation eher den Eindruck von Getriebenen als von selbstbewussten Marktakteuren. Auch das ist ein Aspekt der "Agroschizophrenie".  

Europa und die Region

Was Verbraucherinnen und Verbraucher wollen, können sie als Bürgerinnen und Bürger spätestens im Mai 2019 deutlich machen. Dann sind Europawahlen. Und da geht es auch um die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) nach 2020. Denn in Brüssel werden die Weichen für den zukünftigen Landwirtschaftsalltag im Grenzland gestellt. „Cross Compliance“ ist ein Stichwort. Pro Hektar erhalten die Landwirte derzeit ca. 300 Euro jährlich aus EU-Mitteln. Dafür müssen sie bestimmte Verpflichtungen einhalten. Im Rahmen der „GAP 2014 – 2020“ wurde vor gut vier Jahren unter dem Stichwort „Greening“ über die damit verbundene Öko-Auflagen diskutiert. Seinerzeit gelang es einer Allianz aus Agrarindustie und Bauernverbandsvertretern über das EU-Parlament und den Agrarministerrat die von der damaligen Kommission geplanten Auflagen so aufzuweichen, dass der grüne Landwirtschaftspolitiker Martin Häusling am Ende vom Greening als „Luftnummer“ sprach. Selbst die wenigen von der EU eröffneten Möglichkeiten einer „grüneren Agrarpolitik“ werden bis heute in Deutschland nicht umgesetzt. 

Dennoch steckt seit „GAP 2014-2020“ ein Fuß in der Tür zu einer grünen und gerechten Landwirtschaft. Jetzt kommt es darauf an, die Tür ganz aufzustoßen und sich für die nächste GAP-Runde auf den politischen Weg zu begeben. Rückenwind für einen landwirtschaftlichen Paradigmenwechsel gibt es auch vom Weltagrarbericht oder vom Wissenschaftlichen Beirat für Agrarpolitik, Ernährung und gesundheitlichen Verbraucherschutz.

Ohne einen starken zivilgesellschaftlichen Druck ist aber kaum eine Ökologisierung der Landwirtschaft zu erwarten. Der Neun-Punkte-Plan für die Agrar- und Ernährungswende bleibt auch über das Wahljahr 2017 hinaus aktuell. Die Grüne Woche hat sich in den vergangenen Jahren von einer Leistungsschau zu einem Forum  der Meinungen über die Zukunft der Landwirtschaft gewandelt. Am 20. Januar 2018 heißt es in Berlin wieder  „Wir haben es satt: Bauernhöfe statt Agrarindustrie" und "Wir machen Euch satt - Redet mit uns statt über uns." Die Synthese "Wir haben es satt. Redet mit uns statt über uns" trifft auf Erzeuger und Verbraucher zu. Daher gehören die beiden Oedter Gesprächsabende  fortgesetzt, um mit Kreativität auch an Handlungsansätzen für eine regionale Ernährungspolitik zu arbeiten. Ein niederrheinischer Ernährungsrat könnte dabei hilfreich sein...

  

                

Samstag, 1. November 2014

"Landluft macht frei" -  Schweinemast an der Nette und die europäische Agrarwende

Im Viersener Kreistag brachte der Landwirt und CDU-Kreistagsabgeordnete Peter Joppen das Dilemma auf den Punkt: „Es gibt für die Landwirte einen Zwang zur betrieblichen Entwicklung und wir sollten dies politisch unterstützen. Wenn wir uns nicht weiterentwickeln, gibt’s gar keine Entwicklung.“

Hintergrund seines Redebeitrags waren die Vorgänge rund um die Genehmigung einer Schweinemastanlage im Landschaftschutzgebiet an der Dülkener Nette. Sie haben eine öffentliche Diskussion um  Herkunft und Herstellung unseres Essens, um Massentierhaltung, Fleischkonsum, bäuerliche Landwirtschaft und die Rolle von Politik und Verwaltung   ausgelöst. 

Während die Viersener Kreisbauernschaft sich offenbar dem ökonomischen Zwang ausgesetzt sieht, weiter den Weg einer globalisierten, industrialisierten und chemielastigen Agrarwirtschaft mit Massentierhaltung und Billigfleischexporten zu gehen, fordern auch im niederrheinischen Gülle-Grenzland immer mehr Menschen einen achtsameren Umgang mit Tieren und Lebensmitteln. Sie sorgen sich um ihre Gesundheit, ums Grundwasser oder die Landschaft und reihen sich damit in eine „Bewegung mit überraschender Heftigkeit“ (Mathias Greffrath: Der Aufstand der Satten) ein.  

Schnell und schwebend unwirksam genehmigt 

Vor einem Jahr machte die Rheinische Post auf den Protest der Nachbarn gegen die geplante Anlage aufmerksam. Es geschah wenig, bis einige Anwohner durch einen zufälligen Fund im Amtsblatt des Kreises Viersen vom 23. Januar aufgeschreckt wurden: 

“Der Kreis Viersen, Rathausmarkt 3, 41747 Viersen hat Frau Brigitte Gartz, wohnhaft Oberstraße 7 in 41334 Nettetal, mit Datum vom 09.01.2014 eine Genehmigung nach §§ 4 und 6 BImSchG für die Errichtung und den Betrieb einer Anlage zur Aufzucht und zum Halten von Schweinen mit einer Gesamtkapazität von 2200 Mastschweinen, eines neuen Güllehochbehälters mit 2500 m³ Lagervolumen, zusätzliche Güllekanäle unter dem neuen Stall mit einer Kapazität von 800 m³, eines Flüssiggastanks mit 4500 l sowie drei Futtersilos á 15,4 t auf dem Grundstück 41751 Viersen-Dülken, Nette168, Gemarkung Dülken, Flur 455, Flurstück 96 erteilt. Die sofortige Vollziehung wurde angeordnet.”

Nach einer "Stunk-Demo" am Veilchendienstag und zahlreichen Gesprächen zwischen dem BUND Kreis Viersen, der Kreisverwaltung, der Bezirksregierung und dem nordrhein-westfälischen Umweltministerium wurde die umstrittene Genehmigung für schwebend unwirksam erklärt, weil sie den Festlegungen des Landschaftsplans 7 (Bockerter Heide) widersprach. Dessen Schwergewicht  liegt  “auf der Erhaltung einer mit naturnahen Lebensräumen und natürlichen Landschaftselementen reich und vielfältig ausgestatteten Landschaft, auf der Sicherung der Leistungsfähigkeit des Naturhaushaltes sowie auf der Erhaltung der Erholungsfunktion für den Menschen.”

In  Landschaftsschutzgebieten sind aber nur solche Handlungen erlaubt, die den Charakter des Gebietes nicht verändern und die im Einklang mit dem Schutzzweck stehen. Dies trifft  für  eine Schweinemastanlage in der Nähe des Dülkener Nette-Wanderwegs wohl nicht zu.

Landschaftsschutz an der Nette gekippt

Unter dem Vorgang Nr. 149/2014 nahm daher der Viersener Kreistag am 30. Oktober 2014 die besagte Fläche an der Nette in geheimer Abstimmung  mit 32 zu 22 Stimmen aus dem Landschaftsplan heraus.

Leider hatte aber das laute öffentliche Auftreten des BUND Kreis Viersen noch eine weitere eher unbeabsichtigte Folge:   Damit sich der Stress um die “Nette-Genehmigung” nicht wiederholen kann, brachte der Kreistag mit der Vorlage Nr. 152/2014  einstimmig eine Änderung aller Landschaftspläne auf den Weg in die Öffentlichkeitsbteiligung. Sie ermöglicht unter anderem die Genehmigung von sog. priviliegierten Bauvorhaben gartenbaulicher, land- und forstwirtschaftlicher Betriebe auch dann, wenn sie nicht mit dem Zweck des Landschaftsplans im Einklang stehen.

Solidarisch und enkelfest zusammenschließen

In der Viersener Debatte war auch zu hören, dass Agrarpolitik kein regionales oder kommunales Thema sei. Dennoch steigen europaweit immer mehr Verbraucher(innen)  und Landwirte „vor Ort“ aus den Zwängen der industrialisierten Agrarprolitik aus. Sie gründen solidarische Zusammenschlüsse, machen sich  marktunabhängig und entwickeln neue Standards einer sozial-und umweltverträglichen Landwirtschaft. 

Es ist Zeit für pragmatische-kooperative und niederrheinisch-nachhaltige Landwirtschaftslabore.  Auch sie könnten ein Ansatz für  betriebliche Entwicklung sein - enkelfest und landschaftsverträglich.

Zwischen den Anti-AKW-Demonstrationen, den belächelten Solarselbstbaugruppen und der Energiewende liegen 40 Jahre. Der Abstand zwischen den Projekten solidarischer Landwirtschaft und einer europäischen Agrarwende könnte kürzer werden. 

 

 

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