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16.02.2022

Neue Studie: Arzneimittelrückstände im Wasser - eine globale Herausforderung

220216 Medikamentenreste.jpgPharmazeutische Rückstände in Gewässern sind ein globales Problem. Die am meisten belasteten Länder und Regionen der Welt sind bisher am wenigsten erforscht: Subsahara-Afrika, Südamerika oder Teile Südostasiens.  Dort gelangen die Rückstände der Pharmaindustrie ungefiltert in die Flüsse, weil es keine funktionierende Abfall- und Abwasserstruktur gibt. Der Lebensstandard spiegelt sich in den Medikamentenresten im örtlichen Wasser wider. Ein hohes Maß an pharmazeutischer Wasserverschmutzung steht in Verbindung mit hohen Armutsquoten.  Im Wasser der Länder mit hohen Einkommen befinden sich überdurchschnittliche Mengen an Diabetesmittel und Antidepressiva. Im Wasser der Länder mit niedrigen Einkommen überwiegen Schmerzmittel und Antibiotika. Die weltweit höchste Konzentration aller Wirkstoffe beträgt 227 Mikrogramm Paracetamol pro Liter Wasser des Flusses Seke in La Paz (Bolivien).

Das sind einige Ergebnisse der Studie „Pharmaceutical pollution of the world’s rivers“, die im PNAS (Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America) veröffentlicht wurde (1) und über die die University of York (2)  und der österreichische „Standard“ (3) berichten.

Das bisherige Wissen zur pharmazeutischen Verschmutzung des Wassers setzt sich aus den Forschungsergebnissen reicher Länder zusammen. Trotz zunehmender Beweise für die schädlichen Auswirkungen auf die Umwelt und die menschliche Gesundheit ist bisher wenig über das weltweite Vorkommen von Arzneimitteln in Flüssen bekannt. Studien zur Bewertung ihres Vorkommens sind für 75 von 196 Ländern verfügbar, wobei die meisten Untersuchungen in Nordamerika und Westeuropa durchgeführt wurden. Dadurch blieben große geografische Regionen unerforscht.

Um ein globales Bild darüber zu bekommen, wie stark das Wasser mit pharmazeutischen Stoffen belastet ist, haben sich über 120 Mitarbeiter*innen aus Wissenschaft, Verwaltung und Industrie auf allen Kontinenten im Projekt „Global Monitoring of Pharmaceuticals“ (4) zusammengeschlossen. Der Geograph Dr. John Wilkinson von der Universität York koordiniert die weltweit größte Studie dieser Art. Sie beruht auf einer vereinfachten und vereinheitlichten Massenspektrometrie-Methode zur Quantifizierung von 61 pharmazeutischen Inhaltsstoffen (5)

Die Forscher*innen überwachten und analysierten 1.052 Probenahmestellen entlang von 258 Flüssen in 104 Ländern aller Kontinente.  Das repräsentiert damit den pharmazeutischen Fingerabdruck von 471,4 Millionen Menschen. Die Forscher*innen fanden an mehr als einem Viertel der untersuchten Orte Arzneimittelkonzentrationen, deren Werte im toxischen Bereich lagen.

Die sichere Versorgung mit sauberem Wasser ist unerlässlich für ein gesundes und menschenwürdiges Leben.

Hierzulande wird über die sog. vierte Reinigungsstufe in den Kläranlagen debattiert. Dahinter verbergen sich verschiedene Wasserbehandlungsverfahren wie Ozonierung, Membranfiltration oder Aktivkohlefiltration. Mit diesen in ihrer Wirksamkeit nicht unumstrittenen Verfahren sollen auch hartnäckige pharmazeutische Spurenstoffe „entsorgt“ werden. Die vierte Stufe löst regelmäßig Debatten um „end of the pipe“ -Technologien und den Wert des Vorsorge- und Verursacherprinzips aus.

Die Studie „Pharmaceutical pollution of the world’s rivers“ eröffnet eine globale Perspektive auf die Spurstoffe im Wasser. Die Verfügbarkeit und nachhaltige Bewirtschaftung des Wassers ist das Weltnachhaltigkeitsziel Nr. 6. In den ärmsten Ländern der Welt wird das Abwasser immer noch weitgehend unbehandelt in die Umwelt entlassen.

Verweise

1. John L. Wilkinson u.a. Pharmaceutical pollution of the world’s rivers. PNAS. [Online] 22. Februar 2022.
https://www.pnas.org/content/119/8/e2113947119

2. University of York. Global study finds the extent of pharmaceutical pollution in the world’s rivers. [Online] 14. Februar 2022.
https://www.york.ac.uk/news-and-events/news/2022/research/global-study-pharmaceutical-pollution-rivers/

3. Krichmayr, Karin. Rückstände von Medikamenten belasten Flüsse weltweit. [Online] 15. Februar 2022.
https://www.derstandard.at/story/2000133360098/rueckstaende-von-medikamenten-belasten-fluesse-weltweit

4. Global Monitoring of Pharmaceuticals Project. [Online]
https://www.globalpharms.org/

5. John Wilkinson u.a. A Novel Method to Characterise Levels of Pharmaceutical Pollution in Large-Scale Aquatic Monitoring Campaigns. [Online] 1. April 2019. https://www.mdpi.com/2076-3417/9/7/1368/html

Grenzlandgruen - 16:36 @ Umwelt und Gesundheit | Kommentar hinzufügen



 

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